Podium Hebammenkammer auf dem 15. Hebammenkongress in Bremen

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Von links nach rechts: Rita Borg-Xureb, Andrea Ramsell, Simone von Stosch, Franz Wagner, Michaela Michel-Schuldt, Carola Bury und Andrea Villmar; Photo: @Ulrike_Hauffe

Rita Borg-Xureb Mitglied im Board der International Confederation of Midwives (ICM) eröffnete die Podiumsdiskussion mit einem Keynote-Vortrag, in dem Sie die Internationale Sicht auf das Thema Regulierung von Hebammen darstellte. Laut ICM stützen drei Säulen das Hebammenwesen: Ausbildung, Berufsverbände und Regulierung. Inhaltlich bezog sich Rita Borg-Xureb auf zentrale Dokumente des ICM, zum einen den Global Standards zu Midwifery Regulation (2011) wonach die Regulierung von Hebammen als erstes dem Schutz der Öffentlichkeit diene, bestimme, wer den Titel „Hebamme“ tragen dürfe, hohe Qualitätsstandards in der Hebammenversorgung setzt und dafür sorgt, dass Hebammen einem Ethikkodex folgen. Als Beispiel für gesetzliche Vorlagen wurde das Hebammengesetz genannt und als regulierende Behörde die Hebammenkammer. Sie wies darauf hin, dass der Beruf von Hebammen selbst reguliert werden, Laienvertreterinnen jedoch dem Vorstand beisitzen sollten. Die Regulierende Behörde sollte eng mit den Hebammenverbänden und anderen Behörden zusammenarbeiten. Die Aufgaben einer Kammer seien, die Berufsordnung und die Standards der Ausbildung zu erstellen und zu genehmigen, Hebammen zu registrieren und zu bestimmen, wer den Titel „Hebamme“ tragen darf. Weiterhin soll die regulierende Behörde praktizierende Hebammen, die ihre Kompetenz erhalten, regelmässig lizenzieren und die Hebammen disziplinieren, die nicht entsprechend der gesetzten Standards praktizieren. Die regulierende Behörde erstelle einen Verhaltenskodex (Code of Conduct) und einen Ethikkodex (Code of Ethics). Ziel des globalen Standards sei es, die Autonomie des Hebammenberufes zu sichern, der sich von anderen Berufen, wie beispielsweise der professionellen Pflege und der Medizin, unterscheidet. Auf EU-Ebene regele die Direktive 2005/36/EC die Ausbildung und dessen Qualifikationsniveau, den professionellen Tätigkeitsbereich und die gegenseitige Anerkennung. Rita Borg-Xureb gab weiterhin einen Überblick über verschiedene regulierende Behörden, vor allem Hebammenkammern oder gemeinsame Berufskammern mit der Pflegeprofession, in denen Hebammen die Zuständigkeit über ihren Beruf bewahren. Um zu überprüfen, ob die Regulierung von Hebammen in einem Land den internationalen Standards entsprechen und um diese entsprechen anzupassen, wies die Rednerin auf unterstützende Prozesse und Dokumente hin, die im ICM Regulation Toolkit zu finden sind. Das Fazit von Rita Borg-Xureb bezüglich der Regulierung von Hebammen in Deutschland war: you will find your own model (that fits best to your context).

Die Moderatorin Simone von Stosch lenkte nach der Präsentation das Gespräch mit den eingeladenen Podiumsgästen.

Michaela Michel- Schuldt, Hebamme und Beraterin im Bereich Globale Gesundheit von der University of Technology Sydney und Mitbegründerin der Initiative Hebammenkammer wies darauf hin, dass es derzeit in Deutschland Lücken in der Selbstregulierung des Hebammenberufes gäbe, die deutlich für eine Hebammenkammer sprechen. Beispielsweise sind Hebammen in Deutschland nicht verpflichtet, sich zu registrieren. Dies bringt mit sich, dass wir in Deutschland nicht umfänglich wissen, wie viele Hebammen an welchem Ort praktizieren, was auch eine zukünftige auf Evidenzen basierende Versorgungsplanung erschwere. Weiterhin gäbe es Lücken beim Schutze der Öffentlichkeit, denn ein Beschwerdemanagement fehle, in dem Frauen, die beispielsweise Gewalt während der Geburt durch Hebammen erfahren haben, Ihr Anliegen anbringen könnten und dieses auch mit Sanktionen reagieren könnte. Insgesamt wies Sie darauf hin, dass der Deutsche Hebammenverband sich im Rahmen einer Projektgruppe mit der Verbesserung der Selbstregulierung des Hebammenberufes beschäftige und die Möglichkeit der Etablierung einer Hebammenkammer bzw. einer regulierenden Instanz abwäge. Sollten Hebammen vor die Frage gestellt werden: Hebammenkammer – ja oder nein, sollte es ihnen ermöglicht werden, eine informierte Entscheidung treffen zu können.

Andrea Villmar, Hebamme, Diplom Gesundheitsökonomin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Gesundheit Bochum und ebenfalls Mitbegründerin der Initiative Hebammenkammer stellte zunächst die Forderung auf: entweder bekommen alle Gesundheitsberufe eine Kammer oder keine. Dies spielte auf die Möglichkeiten der Einflussnahme im Gesundheitssystem an, die Hebammen durch das Fehlen einer Berufskammer im Gegensatz zu Medizinern derzeit noch nicht umfassend nutzen könnten. Aktuell können Hebammen bei Prozessen gehört werden, die ihren beruflichen Bereich betreffen, müssen es aber nicht. Die neu gegründeten Pflegekammern berichten davon, nun in entscheidenden Gremien mit einbezogen zu werden. Die Hebammenkammer wäre ein Teil des „Vierklangs“ zusammen mit den Berufsverbänden, der Gewerkschaft Verdi und der wissenschaftlichen Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft, Organisationen, die den Hebammenberuf zusammen stärken können. Andrea Villmar unterstrich, dass sie sich dafür einsetzte den Hebammenberufs bestmöglich aufzustellen und dafür wäre sie bereit neue Strukturen zu denken und erschaffen. Eine Hebammenkammer wäre eine Möglichkeit, die in Deutschland gegebenen Rahmenbedingungen dafür zu nutzen.

Carola Bury von der Angestelltenkammer Bremen gab zu Bedenken, dass die Hebammekammer nicht alle Probleme des Hebammmenwesens lösen könne, denn auf Tarifverhandlungen beziehungsweise auf Gebührenverhandlung nehme sie keinen Einfluss. Sie unterschied zwischen Berufskammern und berufsunabhängigen Kammern.

Franz Wagner vom Deutschen Pflegerat positionierte sich klar zur Etablierung von Pflegekammern. Er unterstrich, dass die Hebammen bereits einen hohen Organisationsgrad durch eine hohe Mitgliederzahl im Deutschen Hebammenverband erreicht hätten und gab zu bedenken, dass mögliche Hebammenkammern auf Länderebene von der zahlenmäßig kleinen Berufsgruppe kaum organisatorisch gestemmt werden könnte. Er zählte jedoch verschiedene Möglichkeiten auf, wie dieses Dilemma überwunden werden könnte: zum einen über Staatsverträge, die zwischen den Bundesländern geschlossen werden könnten, um beispielsweise regionale Kammern zu etablieren oder den Zusammenschluss, vielleicht auch nur zwecks gemeinsamer Administration mit anderen Berufskammern. Auf die Sorge des Hebammenverbandes, durch die Gründung einer Hebammenkammer an Stärke zu verlieren, wies er darauf hin, dass die Berufsverbände in der Pflege nach den Gründungen der Pflegeberufekammern in einigen Bundesländern Zulauf erlebt hätten. Die professionell Pflegenden wären durch die Pflegekammer berufspolitisch sensibilisiert worden. Weiterhin blickte er auf 20 Jahre zurück, in der die Pflege über Pflegekammern debattiert hatte. Zunächst stand man ihnen ablehnend gegenüber, im Verlauf jedoch wurden deren Vorzüge erkannt.

Andrea Ramsell, Beirätin für den Angestelltenbereich des Deutschen Hebammenverbands wies darauf hin, dass die Hebammen gerade eine bedeutende Veränderung in Form der Akademisierung des Berufes erfahren würden. Nun auch Hebammenkammern zu etablieren könnte die Berufsgruppe überfordern, denn es sei wichtig, alle Hebammen in einem Veränderungsprozess mitzunehmen. Ihr Motto: zuerst die Akademisierung, dann schauen wir weiter. Sie glaube jedoch nicht, dass die Etablierung von Hebammenkammern der richtige Weg zur Stärkung des Hebammenberufes sei.

Aus dem Publikum meldete sich Barbara Blomeier, 1. Vorsitzende des Landesverbandes der Hebammen Nordrhein-Westfalen zu Wort und wies darauf hin, dass wir nicht abwarten sollten, uns eine Meinung zur Etablierung von Hebammenkammern zu bilden, denn die internen und externen Anfragen zu unserer Positionierung zum Thema Hebammenkammer würden sich in Ihrem Bundesland häufen.

Bericht von Michaela Michel-Schuldt und Andrea Villmar